Lithostratigraphische Untergruppe
Übergeordnete Einheit
Die der Jungen Talfüllung zugeordneten Ablagerungen sind Teil der lithostratigraphischen Gruppe Quartäre Süßwasserablagerungen.
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Junge Talfüllungen wurden bei Hochwasser als Auensediment entlang von Bächen und Flüssen oder als Verschwemmungssediment durch flächenhafte, nur über kurze Strecken stattfindende Verlagerung an Hängen gebildet. Holozäne Abschwemmmassen herrschen dabei gegenüber den überwiegend im Pleistozän verlagerten Schwemmsedimenten (Schwemmschutt, Schwemmlehm und Schwemmlöss) vor. Die Bildung der jungen Talfüllungen hängt vielerorts mit Waldrodungen und ackerbaulicher Nutzung der Böden seit der Jungsteinzeit zusammen. Bodenabtrag, Sedimenteintrag in die Gewässer und die Ablagerung von Hochwassersedimenten wurden besonders in Folge der hochmittelalterlichen Rodungsphase aktiviert (Eberle et al., 2017). Junge Talfüllungen besitzen daher meist einen deutlichen Anteil an verlagertem Bodenmaterial, was sich an der graubraunen Farbe und einem deutlichen Humusgehalt erkennen lässt.
Auensedimente kommen in allen Landschaften Baden-Württembergs vor. Im Schichtstufenland und Alpenvorland, wo lösshaltige sowie sandig-tonige Gesteine und Böden vorherrschen, werden die jungen Talfüllungen von Auenlehm dominiert. Dagegen ist in den Schwarzwaldtälern bei höherer Reliefenergie und sandiger Gesteinsverwitterung bevorzugt Auensand verbreitet.
Ausgedehnte Flächen mit Auensedimenten finden sich immer wieder entlang von Rhein und Donau, wo sich anhand ihrer Lage und unterschiedlich weit fortgeschrittener Bodenbildung bereichsweise auch jüngere von älteren Auenlehmen unterscheiden lassen (z. B. südlich von Kehl oder bei Munderkingen). Neben der Rheinaue nehmen im Oberrheingraben auch die Auensedimente der Zuflüsse aus dem Schwarzwald und dem Kraichgau breiteren Raum ein und konzentrieren sich nördlich von Karlsruhe sowohl entlang des Rheins als auch auf eine Randsenke am östlichen Grabenrand.
Talauen umfassen den heutigen oder vor der Eindeichung vorhandenen Überschwemmungsbereich der Flüsse und sind vorwiegend durch einen mäandrierenden Flusslauf entstanden. Das sukzessive aufgewachsene, häufig geschichtete Hochwassersediment wird von einem Kieskörper unterlagert, der im Flussbett abgelagert wurde und sich meist mit scharfer Grenze vom überlagernden Auensediment abhebt. Bei geringer Mächtigkeit des Auensediments werden in der Geologischen Karte 1 : 50 000 die unterlagernden Kiese als Junges Flussbettsediment dargestellt, wie z. B. an der Donau zwischen Mengen und Riedlingen.
Im Unterschied zu den weitgehend ebenen Flussauen mit Hochwassersedimenten führen junge, durch flächenhafte Hangabspülung entstandene Abschwemmmassen zu muldenförmigen und konkaven Geländeformen im Talquerschnitt bzw. am Hangfuß. Das verlagerte Abtragsmaterial wird in den Senkenbereichen akkumuliert und kleidet meist flache Muldentäler aus, die meist im Periglazial der Eiszeiten angelegt wurden oder noch älter sind. Holozäne Abschwemmmassen sind besonders in hügeligen Lösslandschaften wie dem Kraichgau verbreitet, wo fruchtbare, aber erosionsanfällige Böden seit Jahrhunderten beackert werden. Im Kaiserstuhl konnte nachgewiesen werden, dass ursprünglich kerbförmige Täler komplett mit jungen Abschwemmmassen verschüttet und zu sog. Lösssohlentälern mit flachem Talquerschnitt umgestaltet wurden (Friedmann & Mäckel, 1998).
Neben Hochwasser- und Verschwemmungssedimenten zählen auch holozäne Altwasserablagerungen zu den jungen Talfüllungen. Sie treten typischerweise in verlandeten Altarmen ausgedehnter Mäandersysteme wie am nördlichen Oberrhein oder auch flächig an der Donau auf (Lazar & Rilling, 2006). Bei hohen Grundwasserständen kommen sie häufig zusammen mit Niedermooren vor (Kösel, 2016). Da die Altarme selbst bei Hochwasser nicht mehr regelmäßig überflutet werden, sind die Sedimentationsraten relativ gering. Die Ablagerungen zeichnen sich im Unterschied zu den gröberen Auensedimenten oftmals durch hohe Tongehalte aus und sind durch feinverteilten Humus dunkelgrau bis schwarz gefärbt.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Relief, Gestein, Boden und Landnutzung entscheiden über die Zusammensetzung der jungen Talfüllungen im Einzugsgebiet. Über längere Zeiträume können zudem Klimaveränderungen und die daran angepasste Landnutzung die Abflussverhältnisse sowie damit die Ablagerung junger Talfüllungen beeinflussen.
Die Gliederung der Jungen Talfüllung in Untereinheiten folgt keinem konsequenten System, das aufgrund der Ausprägung der oben genannten Parameter zwingend zu einer bestimmten Untereinheit führen würde. Ihre Gemeinsamkeit orientiert sich in erster Linie an ihrem Vorkommen im Senkenbereich der Täler und erst an zweiter Stelle an ihrer Entstehung oder dem Bildungsalter. Quartäre Sinterkalke gehören deshalb genauso zu dieser Gruppe wie Auen- oder Verschwemmungssedimente, obwohl sie sich genetisch stark von letzteren unterscheiden. Wie jedoch die Begriffe zum Ausdruck bringen, orientiert sich die Gliederung bei den meisten Untereinheiten an der Korngröße oder ihrem Bildungsalter.
Bei den Verschwemmungssedimenten wird zwischen holozänen und pleistozänen Bildungen (z. B. holozäne Abschwemmmassen vs. pleistozänes Schwemmsediment) und zusätzlich nach der Korngröße (z. B. Schwemmschutt, Schwemmlehm) bis hin zur Materialherkunft (Schwemmlöss) unterschieden. Bei den Hochwassersedimenten gehören dagegen nur die holozänen Auensedimente zu den jungen Talfüllungen. Pleistozäne Hochwassersedimente (Hochflutsedimente) werden bei den pleistozänen Flussablagerungen abgehandelt.
- Holozänes Auensediment: Hochwassersediment mit stark wechselnder Korngröße von nahezu reinen Sanden bis zu lehmigen und schluffigen Tonen; teilweise geschichtet mit Wechsellagerung von feineren und gröberen Lagen; meist deutliche Anteile von Solummaterial, häufig humos mit graubrauner Farbe, selten anmoorig und braunschwarz; teilweise schwach kiesig, kalkfrei bis kalkreich; vereinzelt organische Reste wie Hölzer, Holzkohle oder Molluskenschalen und Kulturreste wie Ziegel oder Scherben
- Auenlehm: holozänes, lehmiges Auensediment, humos und meist deutliche Anteile von umgelagertem Lössbodenmaterial, selten geschichtet, wechselnde Kalkgehalte, häufig kalkfrei bis schwach kalkhaltig, z. T. schwach kiesig, meist mit scharfer Grenze über sandig-kiesigen Flussbettsedimenten, vereinzelt über tonigen Altwassersedimenten. Der Auenlehm kann nach dem relativen Alter in einen jüngeren und älteren Auenlehm gegliedert werden.
- Jüngerer Auenlehm: Auenlehm, häufig im rezenten und subrezenten Überschwemmungsbereich (vor der Eindeichung); Bodenbildung außerhalb des Grundwassereinflusses nur wenig fortgeschritten; Trennung in jüngeren und älteren Auenlehm nur in ausgedehnten Niederungen der größeren Flüsse mit mehreren Auenterrassen (z. B. an Rhein, Donau und Neckar)
- Älterer Auenlehm: lehmige Hochwasserablagerung außerhalb des rezenten bis subrezenten Überflutungsbereichs; Bodenbildung außerhalb des Grundwassereinflusses häufig erkennbar fortgeschritten (z. B. Entkalkung, Verbraunung oder Tonverlagerung), vorwiegend auf Auenterrassen entlang größerer Flüsse (z. B. Rhein, Donau oder Neckar)
- Auensand: holozänes Hochwassersediment aus vorherrschend Fein- und Mittelsand, selten grobsandig; häufig geschichtet und schwach kiesig, lokal mit Kieslagen; meist kalkfrei und z. T. schwach kalkhaltig, häufig humos, gelbbraun bis grau; vorherrschend aus Gesteinsdetritus
- Auenmergel: holozänes, kalkreiches Hochwassersediment, häufig aus Schluff und Feinsand, schwach tonig, meist humusfrei bis sehr schwach humos, grau bis graugelb, hoher Anteil an frischem, wenig vorverwittertem Sediment, subrezent bis rezent im Überschwemmungsbereich abgelagert
- Holozäne Altwasserablagerung: schluffig-tonige Ablagerung in verlandeten Rinnen und Becken, meist kalkfrei, humos bis anmoorig, teilweise mit Torflagen und Auftreten zusammen mit Niedermooren, graubraun bis schwarz; v. a. in abgeschnittenen Altarmen und der östlichen Randsenke am Oberrhein sowie an der Donau
- Schlick-Einlagerung: Im Neckartal können mächtige Schlick- und Faulschlammablagerungen auftreten, die in erster Linie mit Bereichen früherer Mineralwasseraufstiegszonen in Verbindung stehen. Vorkommen gibt es z. B. in Bad Cannstatt am Marktplatz oder in Teilbereichen der Wilhelma. Sie stellen einen ausgesprochen ungünstigen Baugrund dar, insbesondere wenn sie unterhalb des Grundwasserspiegels liegen. Diese Flächen werden gesondert als Karteneinheit (Generallegendeneinheit) auf der Geologischen Karte ausgewiesen (Brunner, 1998b).
- Junges Flussbettsediment: holozäne Flussbettfazies aus sandigem Kies, meist überlagert von geringmächtigem Auensediment; Farbe und Kalkgehalt je nach Herkunft des Schotters stark schwankend
- Verschwemmungssediment: warm- und kaltzeitliche, durch flächenhaft abfließendes Niederschlagswasser von Hängen abgespültes und am Hangfuß und in Senken akkumuliertes Lockersediment unterschiedlicher Zusammensetzung; die im Holozän verlagerten Sedimente bestehen häufig aus feinkörnigem Bodenmaterial mit organischen Bestandteilen wie z. B. Holzkohle oder Kulturresten wie Ziegel und Scherben.
- Holozäne Abschwemmmassen: junges, meist durch Bodenerosion im Zuge der Ackernutzung entstandenes Schwemmsediment; häufig schluffig-lehmig mit deutlichem Lössanteil, selten sandig-lehmig oder tonig; meist humos mit hohem Anteil von Solummaterial (Material umgelagerter Kulturböden), z. T. schwach kalkhaltig, graubraun bis braungrau, häufig geschichtet
- Pleistozänes Schwemmsediment: durch Hangabspülung im Pleistozän akkumulierte Ablagerung unterschiedlicher Körnung und Lithologie, häufig lehmig-tonig mit Sand, Kies und Grus; humusfrei und meist geschichtet; Zusammensetzung je nach den in unmittelbarer Nähe vorhandenen Gesteinen
- Schwemmlehm: vorherrschend pleistozänes, meist schluffig-toniges Schwemmsediment, teilweise sandig und schwach kiesig bis schwach steinig, z. T. kalkhaltig
- Schwemmlöss: pleistozänes Schwemmsediment aus Lössmaterial; vorherrschend Schluff mit wenig Feinsand und Ton, teilweise Feinschichtung erkennbar; z. T. kalkhaltig, graugelb bis gelbgrau
- Schwemmschutt: vorherrschend pleistozänes Schwemmsediment aus grobem Gesteinsschutt, daneben auch Sand, Schluff und Ton, meist schlecht sortiert, nur schwache Kantenrundung der Grobkomponenten, häufig ungeschichtet
- Quartärer Sinterkalk: durch Kalkausfällungen an Quellen, in Fließgewässern oder Gesteinshohlräumen entstandenes Kalkgestein, meist als Kruste um Fossilreste oder Gesteinsbruchstücke; weißlich bis gelb-/bräunlich, zellig-porös, fest oder locker, ungeschichtet
- Stuttgart-Travertin: Durch Ausfällung aus höher mineralisierten Quellwässern entstandener Süßwasserkalk; dünnschichtig bis massig, dicht bis porös, mit biogenen Krusten, bunt gebändert (braun bis rotgelb); untergeordnet Kalktuffsand, unverfestigt, mit Schlufflagen; teilweise fossilführend
In vielen Taleinschnitten, flachen Senken oder Hangfußlagen wechselt die Ausbildung der obersten holozänen Schicht kleinräumig und ist dann oft auch zu geringmächtig für die Darstellung in der Geologischen Karte. Im Liegenden finden sich andere Untereinheiten der Jungen Talfüllung sowie pleistozäne Fließerden, Flussablagerungen, Hangschutt, Verwitterungsbildungen usw. In solchen Fällen wurde in der Geologischen Karte die allgemein gehaltene Einheit Verwitterungs-/Umlagerungsbildung ausgewiesen.
Mächtigkeit
Die Mächtigkeit von Jungen Talfüllungen schwankt häufig zwischen 0,8 und 1,5 m. Verschwemmungssedimente sind in Hangfußlagen, auf Schwemmfächern und in den tiefsten Lagen von Muldentälern oft deutlich mächtiger. Dies gilt insbesondere für den quartären Sinterkalk, der im Bereich terrassenförmiger Talfüllungen mehrere 10er Meter mächtig werden kann. Die Mächtigkeit des Stuttgart-Travertins in Bad Cannstatt schwankt stark, wobei Mächtigkeiten von bis zu 25 m dokumentiert sind (Werner et al., 2013).
Alterseinstufung
Definitionsgemäß sind Auensedimente und Abschwemmmassen unter den warmzeitlichen Bedingungen des Holozäns entstanden. Der anthropogene Einfluss spielt bei ihrer Entstehung eine große Rolle. Die Rodung der Wälder und Ackernutzung der Böden seit dem Neolithikum, verstärkt ab dem Hochmittelalter, führte zu einer instabilen Landoberfläche mit intensiver Umlagerung und Transport von Bodenmaterial in die Täler (Bleich & Papenfuß, 1996). Der Mensch erweist sich dabei als geologischer Faktor. Archäologische Funde und physikalische Altersbestimmungen (z. B. 14C- oder Pollenanalyse) lassen besonders in den wenig verlagerten Abschwemmmassen und Altwasserablagerungen eine recht genaue Einschätzung des Bildungsalters zu (Henkner 2018).
Die pleistozänen Schwemmsedimente wurden häufig schon im Periglazial in der Spätphase der letzten Kaltzeit abgelagert. Inselartige, vom Liefergebiet abgetrennte Vorkommen lassen stellenweise auf deutlich höhere Alter schließen. Dies gilt auch für die quartären Sinterkalke, die häufig seit dem älteren Holozän oder teilweise schon früher entstanden sind. An den Cannstatter Mineralquellen begann die Bildung des Stuttgart-Travertins schon in den Warmzeiten des Pleistozäns und setzte sich ins Holozän hinein fort.
Ältere Bezeichnungen
Alluvium: Veraltete Bezeichnung für junge, holozäne fluviatile Sedimente. Meist gebraucht im Sinne von feinkörnigen sandig-lehmigen und tonig-schluffigen Flussablagerungen der Überflutungsbereiche. Im frühen 19. Jahrhundert wurden die Begriffe „Alluvium“ für die jüngsten Sedimente (lateinisch „das Angeschwemmte“) im Gegensatz zum (vor-)sintflutlichen „Diluvium“ (lateinisch, „die Überschwemmung“) geprägt. Sie finden sich häufig als Sedimentbezeichnungen in älteren Karten und Texten und können mit der Untergliederung in holozäne und pleistozäne Einheiten gleichgesetzt werden.
Literatur
- (1996). Ein altes Kolluvium und die spätpleistozän-frühholozäne Bodenentwicklung in der Lößlandschaft des Kraichgaus (SW-Deutschland). – Felix-Henningsen, P. (Hrsg.). Böden als Zeugen der Landschaftsentwicklung. – Festschrift zum 80. Geburtstag von Prof. Dr. H. E. Stremme, S. 85–91, Kiel.
- (1998b). Erläuterungen zu Blatt Stuttgart und Umgebung. – 6. Aufl., Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, 298 S., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg).
- (2017). Deutschlands Süden – vom Erdmittelalter zur Gegenwart. 3. Aufl., 195 S., Berlin.
- (1998). Die Landschaftsentwicklung in den Lößgebieten des Kaiserstuhls und Tunibergs. – Freiburger Geographische Hefte, 54, S. 99–112.
- (2018). Interpreting colluvial deposits: Archaeopedological reconstruction of land use dynamics in southwestern Germany. – Diss. Univ. Tübingen, 323 S., verfügbar unter http://dx.doi.org/10.15496/publikation-23596 .
- (2016). Paläoböden in quartärgeologischen Sequenzen und als Bestandteil des Solums rezenter Oberflächenböden. – LGRB-Fachbericht, 2016/1, S. 1–63, Freiburg i. Br. (Regierungspräsidium Freiburg – Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (2006). Die Böden der Baar. – Siegmund, A. (Hrsg.). Faszination Baar – Porträts aus Natur und Landschaft, 2. Aufl., S. 37–56, Donaueschingen.
- (2013). Naturwerksteine aus Baden-Württemberg – Vorkommen, Beschaffenheit und Nutzung. 765 S., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).