Lithostratigraphische Gruppe
Übergeordnete Einheit
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Während das nördliche Baden-Württemberg im Verlauf der quartären Eiszeiten durchgängig Periglazialraum war, sind eiszeitliche Ablagerungen durch Gletscher und deren Schmelzwässer für das südliche Landesgebiet von besonderer Bedeutung (Ellwanger, 2015; Geyer et al., 2011).
Während der drei Hauptvereisungen im Quartär haben Eis und Schmelzwasser durch Erosion und Ablagerung das Landschaftsbild in den Vergletscherungsgebieten jedes Mal stark verändert. Glazial geprägte Sedimente sind in ganz Oberschwaben sowie in geringerem Maß im Schwarzwald verbreitet.
Die Geländeformen in den Vergletscherungsgebieten gehen großenteils auf die Tätigkeiten des Eises und dessen finalen Zerfall zurück. Der Schwarzwald ist vorwiegend von der erosiven Wirkung des Eises geprägt. Die rauen Oberflächen des kristallinen Südschwarzwaldes tragen deutliche Schleifspuren des Gletschereises und zeigen dessen Hauptfließrichtung an. Sedimente der Schwarzwald-Vergletscherung sind vor allem in den östlichen Bereichen des Hochschwarzwalds erhalten (Geyer et al., 2011). Einige kleinere übertiefte Becken wurden erodiert und füllen sich seither mit Sedimenten, dazu kommen glazifluviale Schotter in den Tälern. Der Wallis-Gletscher hat im Mittel-Pleistozän die Schwarzwald-Südabdachung erreicht. Es gibt dort einen Streifen mit zugehörigen Glazialsedimenten sowie schmale tiefe Rinnen, die ebenfalls von Sediment erfüllt sind (Wendebourg, 1986; Becker & Angelstein, 2004).
Das riesige Gebiet des Rheingletschers erstreckt sich von den Südhängen der Schwäbischen Alb bis an die Schweizer Grenze und im Osten bis fast nach Bayern. Hier war die glazialmorphologische Überformung der Landschaft am stärksten und das Gebiet ist fast flächendeckend mit Sedimenten des Rheingletschers bedeckt. In nacheiszeitlichen Erosionsgebieten ist bereichsweise die unterlagernde Molasse freigelegt.
Das Repertoire an glazialen Oberflächenformen ist groß, langgestreckte Endmoränenwälle oder aufgeschuppte Hügelketten markieren die Ausdehnung des Gletschereises. Die großen Seen Oberschwabens zeigen, wo das Eis tiefe Becken und Rinnen in den Untergrund gegraben hat. Einige sind noch heute mit Wasser erfüllt, deren größtes ist der Bodensee (Fabbri et al., 2019). Andere Becken sind vollständig mit Lockermaterial aufgefüllt, aber als pfannenartige, flache, oft vermoorte Niederungen morphologisch gut erkennbar. Daneben liegen hügelige Bereiche, sogenannte Drumlinfelder, deren viele, ordentlich plazierte Einzelhügel durch das Fließen der Gletscher geformt wurden. Völlig ungeordnet erscheinen dagegen die unruhigen Oberflächen der Eiszerfallslandschaft z. B. in der Gegend um Kißlegg. Dort haben das Abschmelzen des Gletschereises, Auftauprozesse und fluvioglaziale Umlagerungen das Landschaftsbild geprägt. Voll- und Hohlformen verschiedener Größe liegen nebeneinander, Toteislöcher und Toteisseen, Kamesterrassen, Kames und Oser bilden ein sehr unregelmäßiges Relief und hieraus resultuierend ein dendritisches Gewässernetz aus vielen kleinen Bachläufen.
Im würmzeitlichen Jungmoränengebiet sind diese Landschaftsformen frisch und augenscheinlich. Wo während der letzten Eiszeit Periglazialbedingungen herrschten, ist die ursprüngliche Glazialmorphologie von Fließerden und Lösssedimenten verschleiert.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Für Baden-Württemberg werden unter dem Überbegriff Glazial geprägte Sedimente im Rang einer Lithostratigraphischen Gruppe vier Untergruppen zusammengefasst:
- Sedimente der Schwarzwald-Vergletscherung (im Südwesten des Landes)
- Sedimente des Rheingletschers (in Oberschwaben)
- Sedimente des Wallis-Gletschers (im Hochrheingebiet)
- Sedimente des Illergletschers (in Oberschwaben)
Jeder dieser Gletscher hat im Quartär Spuren und Sedimente im Land hinterlassen. Mindestens dreimal, während der Hoßkirch-, der Riß- und der Würm-Kaltzeiten war besonders Oberschwaben von großflächigen Vorlandvereisungen durch den Rheingletscher betroffen. Geringere räumliche Ausdehnung hatte die Vergletscherung des Hoch- und Südschwarzwaldes (Ellwanger et al., 2011a).
Die Ablagerungen des Eises und der Schmelzwässer stammen aus dem glazialen und dem proglazialen Milieu. Lithologisch umfasst dies glaziale, fluviale und lakustrine Diamikte, Schotter, Sande und Feinsedimente. Warmzeitliche Feinsedimente in den übertieften Becken, Bodenbildungen oder Umlagerungssedimente sind in die Formationen integriert. Die Basisflächen der Formationen sind durch die markanten Erosionsflächen der Eisvorstöße gegeben (jeweils zweite Eistransgression der Doppelzyklen, mit Bildung der übertieften Becken). So ergeben sich für das Rheingletschergebiet in Oberschwaben vier Formationen (siehe unten stehende Tabelle).
Mächtigkeit
Glazialsedimente erreichen im vereisten Gebiet großflächig Meter- bis Zehnermeter-Mächtigkeit. Hinzu kommen in den den Gletschern vorgelagerten Sanderflächen und glazifluvialen Tälern bis mehrere Zehnermeter mächtige klastische Lockersedimente (Schotter, Kies, Sand) und zwischengelagerte Rutschungsablagerungen (Diamikte). Bereichsweise gibt es im eigentlichen Periglazialgebiet glazilimnische Fein- und Grobklastika von einigen Metern bis wenigen Zehnermetern Mächtigkeit. Sie wurden in die vom Gletscher aufgestauten Seen geschüttet.
Die Sedimente des Rheingletschers erstrecken sich vom Bodensee bis zu den südlichen Hängen der Schwäbischen Alb. Bis mehrere Hundert Meter Tiefe reichte die Erosionskraft des Eises. Unter dem Gletscher entstanden übertiefte Becken und Rinnen, die heute größtenteils mit Sediment erfüllt sind. Besonders die alten Becken (v. a. aus der drittletzten Eiszeit) können Ablagerungen aus mehreren Eis- und Warmzeiten enthalten. Das tiefste und größte dieser Becken, das Bodensee-Becken, entstand während der letzten Vorlandvereisung durch den Rheingletscher und ist bis heute erst teilweise mit Sedimenten aufgefüllt. Aktuelle und hochauflösende seismische Untersuchungen (Fabbri et al., 2019) zeigen, dass die Erosionsbasis des Bodenseebeckens maximal 433±15 Meter unter dem durchschnittlichen Seespiegel (395,6 m NHN) liegt (basierend auf einer durchschnittlichen seismischen Geschwindigkeit von 1500 m/s). Rinnen mit einer Tiefe von bis zu 85 Metern sind auch aus dem Randbereich des Wallis-Gletschers und von der Schwarzwaldvereisung bekannt.
Sonstiges
Findlinge und Dropstones sind markante Relikte der Eiszeiten. Es gibt sie nicht nur in den Glazialregionen Oberschwabens und des Schwarzwaldes, sondern hin und wieder auch in den quartären Kiesen des Oberrheingrabens. Riesige Blöcke sind dort zwar selten, aber ungewöhnlich geformte Gerölle alpiner Herkunft, die größer sind als die Korngröße der sie umgebenden Schüttung, sind weit verbreitet. Sie kommen angereichert im Dachbereich von Schüttungssequenzen vor. Sie sind im Ruhigwasser aus mitgespülten Eisschollen ausgeschmolzen.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (2004). Rand- und subglaziale Rinnen in den Vorbergen des Süd-Schwarzwaldes bei Bad Säckingen, Hochrhein. – Eiszeitalter und Gegenwart, 54, S. 1–19.
- (2015). Lithostratigraphische Entwicklung des baden-württembergischen Rheingletschergebiets: Übertiefte Becken- und Moränen-Landschaft. – LGRB-Fachbericht, 2015/4, S. 1–86, 16 Abb., Freiburg i. Br. (Regierungspräsidium Freiburg – Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (2011a). Quartärgeologie des Rheingletschergebiets (Exkursion I). – Jahresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins, N. F. 93, S. 387–417.
- (2019). Final Report of the Deep Reflection Seismic Survey (Lake Constance 2017). 68 S., Bern (Institute of Geological Sciences, University of Bern). [Unpubl. Report]
- (2011). Geologie von Baden-Württemberg. 5. völlig neu bearb. Aufl., 627 S., Stuttgart (Schweizerbart).
- (1986). Geologische Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung des Quartärs im Gebiet um Birndorf und Unteralpfen (Südostschwarzwald). – Diplomarbeit Universität Freiburg, 84 S., Freiburg i. Br.