Übersicht, Geologie, Entstehung
Karbonatite sind seltene vulkanische Gesteine, die auf Schmelzen aus dem Erdmantel zurückgehen. Diese drangen aus tiefreichenden intrakontinentalen Bruchzonen auf; der Oberrheingraben stellt eine solche bedeutende Bruchzone dar. Als Karbonatite werden Magmatite mit einem Karbonatmineralanteil von mehr als 50 % bezeichnet. Weltweit treten sie als Schlote, Gänge und Lavaströme auf; meist sind sie mit foidführenden Alkalimagmatiten vergesellschaftet. Von wirtschaftlichem Interesse sind sie wegen ihres Gehalts an Kupfererzen und seltenen Metallen wie Niob, Tantal, Seltenen Erden, Thorium und Uran. Bedeutende Karbonatitlagerstätten treten in Südafrika (Phalabora) und Brasilien (Minas Gerais) auf. Gang- bis stockförmige Karbonatite wurden in Deutschland auch in der Lausitz erbohrt. Seit einigen Jahren werden sie dort wegen des Gehalts an Seltenen Erden exploriert.
Der Karbonatit vom Badberg und vom Orberg im vulkanischen Zentrum des Kaiserstuhls ist mit rund 1 km2 Fläche das weitaus größte oberflächennahe Vorkommen seiner Art in Europa. Früher ging man davon aus, dass es sich um eine kontaktmetamorph veränderte Kalksteinscholle aus dem sedimentären Deckgebirge handelt (Wimmenauer, 2003; Groschopf & Villinger, 2009). Das Gestein besteht überwiegend aus Calcit in bis zu cm-großen, weißen bis hellgelblich braunen Körnern. Der Karbonatit am Orberg bei Schelingen ist durch seine Koppitführung bekannt geworden; Koppit ist ein cerhaltiger Pyrochlor der Zusammensetzung (Ca,Ce)2(Nb,Fe)2O6(OH,F,O). Als häufigstes Erzmineral tritt Magnetit auf. Der in den Jahren 1935–1937 und 1949–1952 durchgeführte Versuchsbergbau wies Nb2O5-Gehalte von 0,2–0,7 % nach, was lokalen Koppit-Anreicherungen von 0,35–1,6 % entspricht (LGRB, 2010b). Gelegentlich tritt auch Uranpyrochlor auf. Untergeordnet kommt in Schlieren grünlich brauner Hydrobiotit (Vermiculit) in cm-großen Blättchen vor.
Beim Karbonatit des Orbergs handelt es sich um einen Gang, der in eine Diatrembrekzie eingedrungen ist. Diese Brekzie besteht aus cm-großen Bruchstücken von Essexit, Essexitporphyrit, Phonolith, Nephelinsyenit, Kalksilikatgesteinen und Karbonatit. Die Matrix besteht aus Karbonaten, Phlogopit und Gesteinsmehl. Die im obersten Steinbruch am Orberg aufgeschlossene kuppelartige, lagige Karbonatitstruktur geht nach Südwesten in einen SW–NO-streichenden, mit 65–70° fallenden, ca. 10 m mächtigen Gang über, der durch mehrere kleine Brüche und ein Versuchsbergwerk erschlossen wurde (LGRB, 2010b). Der Karbonatit, der hier auch als „Marmor“ für Werksteine gewonnen wurde, besteht aus ca. 90 % Calcit. Weiter treten Magnesioferrit (ein Ferritspinell wie Magnetit, MgFe2O4), Apatit, Phlogopit, Forsterit, Magnetkies, Pyrit und Koppit auf.
Am sog. Badloch zwischen Altvogtsburg und Oberbergen und im Steinbruch an der Straße Schelingen–Bahlingen wurde der grobkristalline Karbonatit in mehreren kleinen Brüchen für die Erzeugung von Branntkalk und zur Gewinnung von „Marmor“ für Steinmetzarbeiten abgebaut (Wimmenauer, 2009b). Nur wenige Beispiele sind noch erhalten: Am jüdischen Friedhof in Kippenheim-Schmieheim (Ortenaukreis) sind noch sechs Grabsteine aus Kaiserstühler Karbonatit zu finden; sie stammen aus der Zeit 1897–1935.
Potenzial
Ein nennenswertes Potenzial zur Gewinnung von Werksteinmaterial aus dem Karbonatitvorkommen des zentralen Kaiserstuhls existiert nicht. Mit Hilfe schonender Abbaumethoden könnten vermutlich am ehesten im Gebiet des Schelinger Orbergs geringe Mengen an vulkanischem „Marmor“ gewonnen werden.
Kurzfassung
Der Kaiserstühler Karbonatit, entstanden aus karbonatischen Mantelschmelzen, gehört zu den ungewöhnlichsten und seltensten Gesteinen Mitteleuropas. Zeitweise wurde er zur Erzeugung von Branntkalk gewonnen und in zwei kurzen Phasen auch als Trägergestein seltener Nioberze abgebaut. Bis in die 1930er Jahre wurden aus größeren Blöcken auch Werkstücke hergestellt. Auf dem jüdischen Friedhof in Schmieheim sind noch einige Grabmäler aus diesem „Kaiserstühler Marmor“ erhalten.
Literatur
- (2009). Geologie und Erdgeschichte des Kaiserstuhls. . Der Kaiserstuhl – Einzigartige Löss- und Vulkanlandschaft am Oberrhein, S. 41–95, Ostfildern (Thorbecke). [30 Abb., 2 Tab.]
- (2010b). Blatt L 7910/L 7912 Breisach am Rhein/Freiburg i. Br.-Nord, mit Erläuterungen. – Karte der mineralischen Rohstoffe von Baden-Württemberg 1 : 50 000, 258 S., 35 Abb., 10 Tab., 2 Kt., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau). [Bearbeiter: Wittenbrink, J. & Werner, W., m. Beitr. v. Selg, M.]
- (2003). Erläuterungen zum Blatt Kaiserstuhl. – 5. völlig neu bearbeitete Aufl., Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, IX + 280 S., 8 Taf., 4 Beil., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg). [26 Abb., 14 Tab.]
- (2009b). Magmatische Gesteine und ihre Minerale. . Der Kaiserstuhl – Einzigartige Löss- und Vulkanlandschaft am Oberrhein, S. 94–130, Ostfildern (Thorbecke). [64 Abb., 2 Tab.]