Hergang der Ereignisse
Nach vorangegangenen langanhaltenden Niederschlägen hat sich in Oberkirch-Ringelbach (Ortenaukreis) am Spätabend des 31.05.2013 (gegen 22:30 Uhr) am Nordhang des Kastelbergs oberhalb eines Wohngebäudes an der Weinbergstraße eine Hangmure ereignet. Dieses Schadensereignis steht in Kontext mit einer ganzen Reihe von in dieser Zeit in Baden-Württemberg aufgetretenen Massenbewegungen, bei denen nach mehreren regenreichen vorangegangenen Monaten zwischen 31.05.2013 und 01.06.2013 noch größere Niederschlags-Einzelereignisse folgten.
In den folgenden Grafiken sind die Niederschlagsaufzeichnungen der Frühjahrsmonate sowie der Tageswerte um den 31. Mai 2013 bis 02. Juni 2013 für die benachbarte Wetterstation Ohlsbach des Deutschen Wetterdienstes (DWD) aufgetragen.
Die Abrissnische der Hangmure befand sich im hangaufwärts angrenzenden Rebgelände unmittelbar unterhalb des Schelzbergweges, hatte eine lichte Höhe von geschätzt 8 m und eine Breite von mindestens 10 m. Von dort ausgehend haben sich völlig wassergesättigte Erdmassen (geschätztes Volumen ca. 500 m3) bis in den unterhalb verlaufenden Wassergraben bewegt, talwärts zwei Fischteiche oberhalb des Wohngebäudes an der Weinbergstraße verfüllt und haben sich hangseits der Garage/Terrasse eines Wohngebäudes an der Weinbergstraße angestaut.
Wie die Durchsteigung des Geländes zeigte, war das Hang- und Wiesengelände oberhalb des Wohngebäudes vollständig wassergesättigt und es bestand somit die akute Gefahr weiterer Materialabgänge.
Am Abend des 01.06.2013 (gegen 19:30 Uhr) erfolgte ein weiterer Notruf der Feuerwehr Oberkirch. An der Schelzbergstraße in Oberkirch-Ringelbach hat sich in der Straßenböschung ein weiterer großer Böschungsbruch (Böschungsbruch 1) ereignet, der die gesamte Straße in einer Höhe bis zu 1,5 m verschüttet hat. Durch diesen Böschungsbruch wie auch durch die vorangegangene Hangmure wurden einige Wohngebäude in Oberkirch-Ringelbach vom Verkehr völlig abgeschnitten. Nach erneutem Vor-Ort-Termin am Abend des 01.06.2013 wurde entschieden, drei weitere Häuser an der Schelzbergstraße zu evakuieren. Südwestlich des Böschungsbruchs von 19:30 Uhr zeichnete sich ein weiterer Abriss in der Böschungskrone ab (Böschungsbruch 2), welcher es zunächst unmöglich machte, etwaige Stabilisierungsmaßnahmen im Hang (z. B. Anlage von Sickerstützscheiben zur gezielten Hangentwässerung) einzuleiten.
Geologie
Den tieferen Untergrund in den Schadensbereichen bildet Oberkirch-Granit. In der Tiefe handelt es sich hierbei um einen harten, massigen Granit, wobei der Tiefenverlauf des Felsreliefs kleinräumig starken Schwankungen unterworfen sein kann. In Oberflächennähe wird der Granit infolge von Verwitterungs- und Entspannungseinflüssen zunehmend in mürbem, teils bröckeligem Zustand angetroffen (Bröckelfels). In Oberflächennähe verliert er im Allgemeinen seine Kornbindung und liegt nur noch als Granitgrus vor.
Das Rebgelände, aus dem sich die Hangmure gelöst hatte, ist mittels hangparalleler Schmalterrassen (Kleinterrassen) gegliedert, welche im Bröckelfels und im Granitgrus angelegt wurden. In der nachstehenden Abbildung ist die für das Hangmurenmaterial charakteristische Korngrößenverteilung dargestellt.
Maßnahmen
Ab 22:30 Uhr des 31.05.2013 hat die Feuerwehr Oberkirch und die Einsatzabteilung Ringelbach, Haslach und Tiergarten im Bereich der Hangmure händisch eine provisorische Ablaufrinne geschaffen, um dem aus dem Hangmurenbereich abfließenden Oberflächenwasser eine Vorflut an der Südseite des Wohngebäudes sicherzustellen. Der oberhalb der Abrissnische verlaufende Wirtschaftsweg musste aus Sicherheitsgründen für den Verkehr gesperrt werden.
Die bereits am 31.05.2013 veranlasste Evakuierung des Wohngebäudes an der Weinbergstraße musste noch über einige Tage aufrecht erhalten bleiben und für das Wiesengelände bestand – abgesehen von zwingend erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen zur geordneten Entwässerung – Betretungsverbot. Seitens der Feuerwehr und der Gemeinde wurde sichergestellt, dass der freie Abfluss von Oberflächenwasser hinter dem Wohngebäude an der Weinbergstraße zuverlässig gewährleistet war. Die Herstellung geordneter Abflussverhältnisse sowie die gleichzeitige Wetterberuhigung führten dazu, dass sich die kiesig-sandig-schluffigen Schlammmassen vergleichsweis rasch entwässern konnten. Wie die Begehung des Wohngebäudes an der Weinbergstraße nach einer entsprechenden Beräumung der Schlammmassen durch zwei Baustatiker ergab, waren am Gebäude und der Garage/Terrasse keine Schäden entstanden. Aus diesem Grund konnte die Evakuierung des Wohngebäudes an der Weinbergstraße am 04.06.2013 aufgehoben werden.
Der Abriss der Hangmure vom 31.05.2013 wurde bis zum Wiederaufbau der Hangböschung mit einer Folie abgedeckt und der gesperrte Fahrweg konnte wieder geöffnet werden.
Die Schelzbergstraße musste nach Eintritt des Böschungsbruchs 1 umgehend für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. Über den Fuß der Ablagerungsmassen wurde eine „Notfallüberfahrt“ für etwaige Krankenwagen- oder Feuerwehrrettungseinsätze eingerichtet, damit die aufgrund des Böschungsbruches nicht mehr erreichbaren Wohngebäude angefahren werden konnten. Dabei durften die noch wassergesättigten Rutschmassen nicht angeschnitten oder durch dynamische Lasteinträge beansprucht werden. Bei der Herstellung der „Notfallüberfahrt“ wurde der Hang kontinuierlich visuell überwachet. Die „Notfallüberfahrt“ war nur für etwaige Einsatzkräfte gedacht, andernfalls hätte man alle übrigen eingeschlossenen Gebäude evakuieren müssen.
Im Bereich des Böschungsbruchs 2 wurden insgesamt vier Spanndrahtmessstellen im labilen Hangabschnitt installiert, um bis zur Folgewoche entscheiden zu können, ob die momentanen Kriechbewegungen soweit abgeklungen waren, dass man an weitere Sicherungsmaßnahmen denken konnte. Bis dahin blieb die Evakuierung der Gebäude aufrecht erhalten. Die Messungen der Spanndrahtmessstrecken durch die Feuerwehr Oberkirch zeigten, dass sich der labile Hangabschnitt nach Ende der Niederschläge und Abtrocknen der Hangoberfläche nicht mehr weiter bewegt hat.
Die von den Massenbewegungen betroffenen Böschungen wurden nach Abflachen der übersteilten Böschungsabschnitte wieder aufgebaut.
Nachfolgend sind die wichtigsten Punkte der Massenbewegungen bei Oberkirch-Ringelbach tabellarisch aufgelistet.
Stammdaten:
Objekt-ID |
7414_Fl00001 |
Objektname |
Hangmure und Böschungsbrüche in Oberkirch-Ringelbach |
Lokalität |
Ringelbach |
Gemeinde |
Oberkirch |
Stadt-/Landkreis |
Ortenaukreis |
TK25-Nr. |
7414 |
TK25-Name |
Oberkirch |
Datengrundlage |
|
Lage-Bezugspunkt |
Höchster Punkt des Abrissbereichs |
Ostwert |
433039 |
Nordwert |
5378638 |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
295 |
Höhenermittlung |
Karte, DGM |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
2013 |
Geländenutzung während der Entstehung |
Weinberg |
Schäden |
Geländeschäden, Gebäudeschäden |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Primär-/Folgeereignis |
Primärereignis |
||
Prozess der Hauptbewegung |
Fließprozess |
||
Max. Länge [m] |
210 |
||
Max. Breite [m] |
Abrissbereich |
10 |
|
10 |
|||
Ablagerungsbereich |
15 |
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Betroffene Fläche [m²] |
ca. 2500 |
||
Max. Mächtig-keit [m] |
Abrissbereich |
8 |
|
Transportbereich |
1 |
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Ablagerungsbereich |
wenige Meter |
||
Fläche des Abrissbereiches [m²] |
ca. 250 |
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Kubatur der Abrissmasse [m³] |
500 |
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Höchster Punkt des Abrissbereiches [m ü. NHN] |
295 |
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Höchster Punkt des Ablagerungsbereiches [m ü. NHN] |
250 |
||
Max. Höhenunterschied zwischen Abrissbereich und Top des Ablagerungsbereiches [m] |
45 |
||
Tiefster Punkt des Ablagerungsbereiches [m ü. NHN] |
240 |
||
Max. Höhenunterschied (H) zwischen höchstem Punkt des Abrissbereiches und tiefstem Punkt des Ablagerungsbereiches [m] |
55 |
||
Exposition zwischen höchstem und tiefstem Punkt des Ereignisses [°] |
90–135 |
||
Durchschnittliche Hangneigung zwischen höchstem und tiefstem Punkt des Ereignisses [°] |
20 |
||
Hangneigung [°] |
Abrissbereich |
30 |
|
Transportbereich |
10–20 |
||
Ablagerungsbereich |
5–10 |
||
Ursache |
geogen |
||
Auslöser |
geogen |
||
Geologie |
|||
Oberkirch-Granit (GOB) |
Biotit-Granit |
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Sicherungsmaßnahmen |
Geordnete Abflussverhältnisse, Abflachungen |
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Sonstige Anmerkungen |
Evakuierungen |