In den Gäulandschaften sind entlang der Talhänge zahlreiche großflächige Rotationsrutschungen im Übergangsbereich vom Mittleren zum Oberen Muschelkalk vorzufinden. Besonders weit verbreitet sind Rutschungen an den Hängen des Neckartals. Auch an den Talhängen der Neckar-Nebenflüsse Jagst und Kocher sind Rutschungen häufig zu beobachten und prägen das Landschaftsbild.
Die Entwicklung der heutigen Landschaftsformen, insbesondere die Talbildung, vollzog sich seit dem Ende des Pliozäns und im Wesentlichen während des Pleistozäns über einen Zeitraum von gut einer Million Jahre. Mit dem Eintiefen der Wasserläufe in die harten Karbonatgesteine des Oberen Muschelkalks gingen entlang der Talhänge tiefreichende Entspannungsvorgänge im umgebenden Gebirge einher. Das Aufreißen talparalleler Klüfte und vielfach auch das Entstehen größerer Felsstürze in flussunterschnittenen Bereichen waren die Folge.
Mit dem Vordringen der oberflächennahen Erosion in den Abschnitt des Mittleren Muschelkalks rücken dessen Salinargesteine zunehmend in den Bereich des bewegten Grundwassers. Neben der Oberflächenerosion setzen im Bereich der Talhänge nun verstärkt Subrosionsprozesse ein, wobei zuerst die Salz- und anschließend die Gipsauslaugung ihren Anfang nehmen. Das Sulfatgestein (Gips) wird nicht nur von oben, sondern zunehmend auch von unten her ausgelaugt. Zurück bleiben tonige Residualbildungen, die in ihrem oberen und unteren Abschnitt noch von einigen Metern gebankter Dolomite umrahmt sind. Aufgrund des Auslaugungsvorgangs reduziert sich die Mächtigkeit des Mittleren Muschelkalks von ursprünglich 60–80 m bis auf 25–30 m. Das auftretende Massendefizit führt notwendigerweise zu einer weiteren Auflockerung des darüber liegenden Gebirgsabschnitts im Bereich der Kalksteine des Oberen Muschelkalks. Dies zieht oftmals eine Schrägstellung des gesamten Kalksteindachs in Talrichtung nach sich. Mit der Auslaugung des ursprünglich als abdichtendes Sohlgestein fungierenden Mittleren Muschelkalks verlegt sich der Sulfatspiegel als grundwasserstauendes Niveau immer tiefer in diesen hinein und erreicht schließlich dessen Basis. Damit sind zunehmend alle Voraussetzungen für die Entstehung weiträumiger Rutschungen der hangenden Festgesteinsschollen erfüllt: Plastifiziertes und periodisch oder dauerhaft durchfeuchtetes Gestein des Mittleren Muschelkalks, dem eine mächtige Kalksteinplatte des Oberen Muschelkalks in einer schiefen Ebene aufliegt. Es kommt zum Abgleiten großer zusammenhängender Schollen, manchmal auch mehrerer Teilschollen treppenförmig hintereinander angeordnet. Die abgerutschten Schollen erfahren dabei häufig eine antithetische Verstellung; oft führt dies auch zu einem völligen Zerbrechen des inneren Gebirgsverbands.
Sofern die Taleintiefung nicht oder nur sehr verlangsamt weiter voranschreitet, können die Hangbewegungen abklingen und sich dann auch weitgehend stabile Hangzustände einstellen. Wo jedoch die Taleintiefung weiter anhält oder die erste Gleitbewegung im Hang ihr zunächst vorläufiges Ende findet, bleibt eine erhebliche latente Rutschungsgefahr erhalten. Hier können bereits durch kurzfristige Änderung der Wasserverhältnisse im Gebirge oder auch durch nur geringfügige künstliche Eingriffe in das Hanggleichgewicht (z. B. Geländeumgestaltungen im Zuge von Rebflurneuordnungen oder Hangeinschnitte bei Infrastrukturmaßnahmen) vorhandene Gleitflächen erneut reaktiviert werden (Eissele & Kobler, 1973).
Zahlreiche Beispiele für großräumige Rutschungen im Grenzbereich des Mittleren zum Oberen Muschelkalk sind in Baden-Württemberg bekannt. Im Zuge des Autobahnbaus A 81 zwischen Stuttgart und Singen wurden im Bereich zwischen den Anschlussstellen AS Rottenburg und AS Villingen-Schwenningen drei große Talbrücken geplant, welche zweimal über das Neckartal und einmal über das Eschachtal führen. Im Zuge der Planung und Ausführung dieser Brücken wurden in den Hangbereichen zahlreiche großflächige Rutschungen festgestellt. Im Fall der Neckarbrücke Weitingen führte dies zu einem technisch aufwändigen Bauwerk unter Verzicht von Pfeilergründungen im gesamten südlichen Hang. Hier musste der Hang z. B. durch nur ein einzelnes Brückenfeld von 263 m überspannt werden.
Auch im Bereich des Wurmbergwegs und den darüber liegenden, weit bekannten Felsengärten bei Hessigheim führt die Gipsauslaugung im Mittleren Muschelkalk sowohl zu Hangbewegungen in den mit Hangschutt überlagerten Hängen sowie auch immer wieder zu Felsstürzen aus den Hangkanten des überlagernden Oberen Muschelkalks.
Literatur
- (1973). Fossile Massenverlagerung an Muschelkalkhängen des oberen Neckars (Baden-Württemberg) und ihre Bedeutung für die Bebauung. – Proceed. Symp. Erdfälle und Bodensenkungen, T 4, S. J 1–7.