Lithostratigraphische Gruppe
Übergeordnete Einheit
Quartär
Zur Gruppe Quartäres Windsediment werden alle Feinklastika gerechnet, die nach einem äolischen Transport zur Ablagerung kamen. Dies umfasst Löss-, und Flugsandablagerungen sowie darin eingeschaltete Verwitterungsprodukte (Bodenbildungen) und lokale Umlagerungssedimente.
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Während der Kaltzeiten des Quartärs gab es weite Flächen freiliegenden Gesteins, das besonders der Frostverwitterung ungeschützt ausgesetzt war. Außerdem wurde durch Eisbedeckung viel Gesteinsmaterial erodiert und bis zu kleinsten Korngrößen „zermahlen“. Kräftige Winde, die über die Eisflächen wehten, konnten das feine Gesteinszerreibsel ausblasen und als Löss und Flugsand in den nur wenig bewachsenen Periglazialgebieten wieder ablagern. So bildeten sich hauptsächlich in den Kaltzeiten gleichkörnige, meist homogene Ablagerungen. Besonders großräumig sind die Lössflächen im Oberrheingraben und im Schichtstufenland. Der Kraichgau ist fast flächendeckend bedeckt, und auch die Vorbergzone des Schwarzwalds sowie der Kaiserstuhl sind für ihre teilweise sehr mächtigen Löss-Sedimente bekannt.
Meistens bilden Windablagerungen eine geringmächtige Überdeckung des Untergrundes, die vorhandene Rauigkeiten des Reliefs ausgleichend verschleiert. Im Luv (die dem Wind zugewandte Seite) wird ausgeblasen, im Lee (Windschatten) wird angelagert. Das lose Material kann leicht ins Rutschen kommen, so dass neben reinen Windablagerungen auch lokale Umlagerungs- und Vermischungsprozesse bei der Sedimentation eine Rolle spielen. Abfolgen, die vorwiegend aus äolisch transportiertem Material bestehen, werden unter dem Oberbegriff Quartäres Windsediment zusammengefasst.
Frisch abgelagerte Windsedimente zeigen alle Formen von Rippelbildung an Ihrer Oberfläche. In fossilen Lössen sind diese manchmal als rippelförmige Sedimentstrukturen erhalten. Großrippeln und Dünen sind eher aus Küstenregionen oder Wüstengegenden bekannt. Wüstenhafte Verhältnisse herrschten im Quartär jedoch auch in Baden-Württemberg, wo im mittleren Rheingraben, im Lußhardt, mehrere Dünenzüge eine Fläche von rund 40 km2 bedecken. Dieses Dünenfeld ist zwar größtenteils von Kiefernwald bewachsen, im digitalen Geländemodell sind die einzelnen Dünen aber deutlich zu erkennen.
Lösse und entkalkte Lösslehme haben hervorragende bodenphysikalische Eigenschaften. Sie bilden fruchtbare und leicht zu bearbeitende Böden, und werden besonders gern als Ackerland genutzt. Insbesondere Lösse in Hanglagen sind seit jeher bei den Weinbauern beliebt. Durch ihren Karbonatanteil ergibt sich eine Standfestigkeit, die es den Bauern ermöglicht hat stabile Terrassen anzulegen. So sind heutzutage die Lössflächen des Kaiserstuhls nur noch bereichsweise als natürliches Sediment erhalten. In den 1970er Jahren wurden dort breite Lössterrassen zur leichteren maschinengestützten Bearbeitung der Rebflächen angelegt. Damit wurde das Windsediment durch die menschliche Überprägung zu einer Anthopogenen Bildung.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Windsedimente bestehen aus gut sortierten, glatten Einzelkörnern, die vom Wind verblasen wurden. Je nach vorherrschender Transportkraft werden unterschiedliche Korngrößen verlagert. Die einzelnen Körner stoßen aneinander und werden dabei randlich abgeschliffen. Vorwiegend handelt es sich um feinsten Gesteinsstaub. Die petrographische Zusammensetzung hängt vom Liefergebiet ab. Hauptbestandteil sind feinkörniger Quarz und Calcit (zusammen 50–90 %) mit Korngrößen von 0,01 bis 0,05 mm, hinzu kommen Feldspat, Dolomit und kalkige Gesteinsbruchstücke sowie geringe Gehalte an Glimmer, Tonmineralen und Schwermineralen, wie etwa Granat, Glaukophan und Picotit. Letztgenannte belegen, dass der Löss Baden-Württembergs größtenteils aus zerriebenen Gesteinen alpiner Herkunft besteht.
Der Karbonatgehalt wird durch kohlensäurehaltiges Sickerwasser gelöst und wirkt als Zement im Porenraum stabilisierend. Bei mächtigeren Abfolgen mit einem hohen Karbonatangebot können manchmal kleine Kalkknöllchen oder Lösskindl ausgefällt werden. Häufig führen Eisenhydroxide zu rötlichbraunen Sedimentfarben. Durch Verwitterungs- und Bodenbildungsprozesse erhöht sich der Tonanteil, bis hin zur Bildung von Lösslehm.
Bei den Windsedimenten werden nach den vorherrschenden Korngrößen die Formationen Löss-Sediment für sehr feinkörniges Material und Flugsandsediment für sandige Ablagerungen unterschieden. Die Löss-Sedimente werden weiter nach ihrem Ablagerungsalter in die Subformationen Jüngere Lössablagerung und Ältere Lössablagerung gegliedert.
Mächtigkeit
Die Kiesablagerungen der Oberrheinebene liegen unter einer dünnen Lössschicht, die erst im Spätwürm, nach der Hauptschüttung der glazifluvialen Kiese der letzten Eiszeit abgelagert wurden. Die meisten Flugsanddecken und Lössüberdeckungen im Schichtstufenland haben weniger als 20 m Mächtigkeit, im Kraichgau und der östlichen Vorbergzone des Oberrheingrabens sind gut 20 m Mächtigkeit weitverbreitet. Vor allem im Kaiserstuhl erreichen die Lössabfolgen verbreitet 40 m und mehr. Im Windschatten einiger Höhenzüge können die Ablagerungen so mächtig werden, dass die ursprüngliche Hangmorphologie völlig verschüttet ist. Mächtige Abfolgen aus Löss und Schwemmlöss von rund 60 m Mächtigkeit bei Riegel am Kaiserstuhl und rund 130 m Mächtigkeit bei Freiburg-Munzingen sind aus Bohrungen bekannt.
Referenzprofile
- Steinbruchwand am Michaelsberg bei Riegel am Kaiserstuhl, TK 7812, Position R 3407100 H 5334750 (Guenther, 1953)
- Lössprofil südöstlich von Nußloch, TK 6618, Position Top R 3480510 H 5464120 (Bibus et al., 2007)
Alterseinstufung
In allen Glazialen des Pleistozäns kamen äolische Sedimente zur Ablagerung. In den Warmzeiten entstanden daraus Lösslehme. Vielerorts gibt es mächtige Lössabfolgen mit mehreren Humuszonen und Bodenhorizonten. Die Lössabfolge von Nußloch wurde vornehmlich würmzeitlich gebildet (Bibus et al., 2007). Aus dem Oberrheingebiet, z. B. Riegel und dem mittleren Neckarraum, z. B. Heilbronn-Frankenbach, sind mächtige Lössprofile bekannt, die bis in die Rißeiszeit reichen (Zöller et al., 1987; Bibus, 2002; Rähle, 2004). Aus Oberschwaben sind rißzeitliche Lösslehme und noch ältere Bodenbildungen bekannt.
Junge, hauptsächlich würmzeitliche Abfolgen sind weitverbreitet, ältere Lösssedimente sind zumeist nur reliktisch erhalten, und lassen somit oft nur eine indirekte stratigraphische Einordnung zu. Die Datierung der Sedimente erfolgt klassischerweise über warmzeitliche Floren (Pollen- und Sporenassoziationen) aus den Bodenhorizonten, sowie über Parallelisierung verschiedener Profile miteinander. Die Resultate dieser korrelativen Alterseinstufungen werden kontrovers diskutiert.
Seit den 1960er Jahren werden zunehmend physikalische Datierungsmethoden an feinkörnigen Quarzen und Feldspäten zur Datierung von feinklastischen Sedimenten angewendet. Äolische Ablagerungen eignen sich besonders gut für Lumineszenzdatierungsmethoden (v. a. OSL, auch TL), die für Altersspannen von wenigen 10er Jahren bis über 400 000 Jahre anwendbar sind.
Sonstiges
Häufig sind in den Lössablagerungen kleine Schneckenschalen enthalten. Es lassen sich zahlreiche verschiedene Arten unterscheiden, die in kalten und/oder warmen Klimaphasen lebten. Viel seltener, aber meist sehr gut erhalten, sind Säugetierreste wie Knochen und vor allem Zähne von Nagetieren und sogar von großen Huftieren wie Hirsch, Ur, Wildpferd und Wisent, aber auch vom Wollnashorn und Mammut.
Der Kaiserstuhl mit seinen mächtigen Lösssedimenten wird seit vielen Jahrhunderten zum Weinanbau genutzt. Durch das Befahren der manchmal steilen Wege haben sich bis 15 m tief eingeschnittene Lösshohlwege gebildet, wie die Lösshohlgassen bei Endingen oder die Eichgasse bei Bickensohl (u. a.). Für ihre Weine gruben die Winzer tiefe Keller in die Lösshänge, die darin bei konstanter Luftfeuchtigkeit und Temperatur ideal gelagert werden können. In den 1970er Jahren wurden zur leichteren maschinellen Bearbeitung der Rebflächen breite Terrassen in den Lössablagerungen des Kaiserstuhls angelegt.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (2002). Zum Quartär im mittleren Neckarraum. – Tübinger Geowissenschaftliche Arbeiten, Reihe D, 8, S. 1–236.
- (2007). Das jungpleistozäne Lößprofil von Nußloch (SW-Wand) im Aufschluss der Heidelberger Zement AG. – E&G Eiszeitalter und Gegenwart – Quaternary Science Journal, 56, S. 227–255.
- (1953). Feinstratigraphische Untersuchung eines Lössprofils von Riegel am Kaiserstuhl. – Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Monatshefte, 9, S. 369–385.
- (2004). Mollusken aus zwei bedeutenden mittel- und jungpleistozänen Lößprofilen des mittleren Neckarraumes (Baden-Württemberg) und ihre ökologisch-stratigraphische Aussage. – Kösel, M. (Hrsg.). Beiträge zur Geomorphologie, Bodengeographie und Quartärforschung. Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. E. Bibus, S. 219–240, Tübingen (Tübinger Geowissenschaftliche Arbeiten, Reihe D, 10).
- (1987). Thermolumineszenz-Datierung an Löss-Paläoboden-Sequenzen von Nieder-, Mittel- und Oberrhein. Heidelberg (Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg, V 29).