Übersicht
Am Heuchelberg, nördlich oberhalb von Güglingen-Pfaffenhofen, wird seit fast 2000 Jahren ein gelblich brauner bis ockerbrauner Schilfsandstein gewonnen (Mittelkeuper, Stuttgart-Formation). Ursprünglich waren es drei Steinbrüche; durch den fortschreitenden Abbau bei Pfaffenhofen sind zwischenzeitlich zwei Brüche zu einem „zusammengewachsen“. Dieser noch in Betrieb (Stand 2021) befindliche Sandsteinbruch (RG 6919‑2) des Bauunternehmens Haass aus Güglingen liegt auf der Hochfläche in den Gewannen Steingrube und Ob dem Hochgericht. Ein gegenwärtig nicht genutzter Teil des Vorkommens wurde 2012 von der Fa. R. A. Burrer, Maulbronn, an das Bauunternehmen verkauft. Im Bruch der Fa. Haass werden die großen historischen Haldenberge und der plattige obere Teil des Sandsteins für Wegebau und Tiefbaumaßnahmen genutzt. Feste und große Blöcke aus dem ca. 5 m mächtigen Hauptlager werden auf Nachfrage an Werksteinverarbeitungsbetriebe verkauft.
Der historische Pfaffenhofener Bruch wurde nach 1922 von Albert Burrer, der 1894 seine Natursteinfirma in Maulbronn gegründet hatte, wieder in Betrieb genommen. Die beste Bildhauerqualität des gelblich braunen Schilfsandsteins aus Güglingen-Pfaffenhofen bezeichnete er – wie schon in Maulbronn und Freudenstein – als „Kosak-Sandstein“. Ein weiterer Bruch liegt 0,5 km nordwestlich davon im Gewann Hundbühl (RG 6919‑3). Der Sandstein aus diesem Gebiet wird sowohl als Pfaffenhofener wie auch als Güglinger Sandstein bezeichnet.
Geologie, Gesteinsbeschreibung
Die Aufschlussverhältnisse im Steinbruchgebiet Güglingen-Pfaffenhofen waren über die Jahre hinweg deutlichen Schwankungen unterworfen. Bei einer Aufnahme durch Mitarbeiter der TU Darmstadt im Jahr 1963 (LGRB-Archiv) wurde folgendes Profil im alten Burrer-Bruch im Gewann „Ob dem Hochgericht“ angetroffen: Unter geringmächtigem Lösslehm, Sandschiefern und mürben Sandsteinen folgten ein 1,5 m mächtiger, plattiger bis dünnbankiger Sandstein und das 3–3,5 m mächtige Werksteinlager („Kosakfels“). Bei der LGRB-Betriebserhebung 1987 stand ein 5 m mächtiges, kompaktes Lager an, das nur im obersten Meter Schichtung erkennen ließ; es bestand aus einem gelblichen und gelblich-rotgeflammten Feinsandstein. Darüber waren 3,5–4 m mächtige, plattige bis dünnbankige Sandsteine mit Siltsteinzwischenmitteln aufgeschlossen, dann ca. 0,5 m Löss und Lösslehm. Das Sandsteinlager befindet sich nur wenige Meter über der Grenze zum Gipskeuper. Die nutzbare Mächtigkeit lag in den 2009 zugänglichen Aufschlüssen zwischen 7 und 9 m. Im oberen Teil des Sandsteinpakets befindet sich eine 2,5–5 m mächtige Werksteinbank, die sich durch ihre Gleichmäßigkeit und Festigkeit auszeichnet; sie wird von 5–6 m mächtigen, plattigen Sandsteinen unterlagert. In diesem bis 5 m mächtigen, weitständig geklüfteten, massigen Sandsteinlager beträgt der für die Verarbeitung durch den Steinmetz verwertbare Blockanteil rund 60 %; betrachtet man die gesamte, in den letzten Jahren aufgeschlossene Lagerstätte, so lag der Anteil bei 8–10 % (Mitt. M. Berkau, Fa. Haass). Durch die Abbauarbeiten im Jahr 2012 wurde im Nordosten des Bruchgeländes ein etwa 13 m mächtiges Sandsteinpaket erschlossen, das kein Werksteinlager aufweist, sondern aus unregelmäßigen, dünnbankigen bis plattigen, oft feinscherbigen Sandsteinen besteht. Es stellt die für Werksteinzwecke nicht nutzbare Randfazies der Lagerstätte dar.
Charakteristisch ist das Auftreten von Limonitanreicherungen in Bändern, Schlieren oder in wolkiger Form (s. Sägefläche Pfaffenhofener Sandstein); diese Varietät wurde von der Fa. A. Burrer als „Kosak-Sandstein“ bezeichnet. Lagenweise treten Anreicherungen auch von größeren Schachtelhalmresten mit Stengelbreiten bis 10 cm auf. Wie in Maulbronn handelt es sich um einen fein- bis mittelkörnigen Arkosesandstein. Die Kornbindung ist überwiegend tonig-ferritisch, z. T. erfolgt sie über Anwachssäume aus Quarz. Dunkelbraune Lagen sind oft eisenkarbonatisch gebunden. Im Steinbruch am Hundbühl (RG 6919‑3) waren noch 1988 unter 0,9 m Lösslehm 7 m plattige Sandsteine und darunter eine 5 m mächtige, dickbankige Werksteinzone aufgeschlossen. Die Sandsteine zeigen Farbvariationen von Grünlichgelb im Liegenden, über Gelbbraun bis Rotbraun im Hangenden.
Chemische Zusammensetzung des „Kosak-Sandsteins“ aus Güglingen nach der Werbeschrift „Kosaksandstein im Imperium Romanum“ von R. A. Burrer (o. J.):
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SiO2 |
Al2O3 |
Fe2O3 |
CaO |
MgO |
K2O |
Na2O |
Kosak-Sandsteins |
74,4 % |
5,4 % |
5,0 % |
1,0 % |
0,7 % |
5,6 % |
1,4 % |
Technische Eigenschaften
Weiler Sandstein |
Lukas (1990b) 1) |
Grassegger et al. (1990) 1) |
Bohrmann (1988) 1) |
Firmenangaben (Prüfzeugnis LGA Bayern von 1999) 1) |
Fa. R. Reimold (1971) 2) |
2,04 g/cm3 |
2,0 g/cm3 |
1,97–2,05 g/cm3 |
2,27 g/cm3 3) |
2,06–2,5 g/cm3, Mittelwert 2,27 g/cm3 |
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2,66 g/cm3 |
2,6 g/cm3 |
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- | |
23,49 Vol.‑% |
21,1–23,3 Vol.‑% |
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Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck |
7,49 M.‑% |
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- |
6,63–6,75 M.‑%, 5,15 M.‑% 3) |
1,85–7,94 M.‑%, Mittelwert 5,15 M.‑% |
Wasseraufnahme unter Vakuum |
11,54 M.‑% |
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Sättigungsgrad/s‑Wert |
0,65 |
- |
- |
- |
0,66 |
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41–61 MPa |
41,1–61,65 MPa |
570 kp/cm3 (= 56 MPa) 3) |
750–850 kp/cm2 = 73,6–83,4 MPa |
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E‑Modul, dynamisch |
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13,85 MPa, 14,48 MPa, 12,50 MPa (Mittelwert nach 0, 25 und 50 Frost-Tau-Wechsel) |
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6,4 MPa 3) |
6,4 MPa 4) |
1) „Kosak-Sandstein“ aus Güglingen-Pfaffenhofen von R. A. Burrer
2) Die Fa. R. Reimold (heute Bruch Fa. Haass) lieferte im Jahr 1971 Proben von gelblich braunem und bräunlich violettem Sandstein, dem „Pfaffenhofener Kernsandstein“, an die MPA Stuttgart. Das Material der 28 Proben war leicht kalkig.
3) Werte nach 55 Frost-Tau-Wechseln: Es wurden keine Veränderungen festgestellt.
4) ermittelt durch MPA Stuttgart (1986)
Gewinnung und Verwendung
Römische Zeit: Die ausgedehnte römische Zivilsiedlung des vicus von Güglingen im Zabergäu lag an einer römischen Fernstraße. Nach den Grabungsbefunden im Gebiet des heutigen Gewerbegebiets „Steinäcker“ handelte es sich um ein Handelszentrum (Kortüm & Neth, 2002, 2003). Es konnten rund 30 benachbarte Gebäude untersucht werden, wodurch der Güglinger vicus eine der größten zusammenhängend erforschten römischen Siedlungen in Südwestdeutschland ist. Zum Bau wurde, ebenso wie beim Gutshof bei Güglingen-Frauenzimmern, Schilfsandstein vom nahen Steingrubenberg nördlich von Pfaffenhofen verwendet. Es handelt sich um einen gelblichen bis hellbraunen, kieselig-kaolinitisch gebundenen, fein- bis mittelkörnigen Sandstein, der sich durch gute Bearbeitbarkeit bei gleichzeitiger Beständigkeit auszeichnet. Der Güglinger Schilfsandstein wurde nach dem reichlichen Fundmaterial aus dem vicus und dem Gutshof vorrangig für folgende Zwecke verwendet (Werner, 2005):
- Gebrochenes Material für die Rollierung bzw. Unterbau für Mauerfundamente
- Handquader für Mauern (Keller- und Außenmauern der Streifenhäuser, Brunnen, Öfen); diese wurden meist trocken gesetzt und nur selten vermörtelt.
- Treppenstufen, Schwellen, Tür- und Fensterrahmen, Lichtschächte aus einem Stück
- Unterlegsteine, oft mit Pfostenlöchern
- Platten für Fußböden und Wasserbecken
- Porticus-Säulen, Pfeiler
- Altäre, Weihesteine, Inschriftensteine, Kulthäuschen
- Reliefs, Statuen unterschiedlicher Größen (z. B. Herkulesstatuen und Figuren für die Mithräen)
- Tischplatten und ‑säulen
- Mörser für Getreide, Gewichtsteine für Schnellwaagen
Die Aufzählung verdeutlicht, dass der Güglinger Schilfsandstein schon in der Spätantike zu vielseitigen Zwecken eingesetzt wurde; er konnte für feine figürliche Darstellungen ebenso verwendet werden wie für groß dimensionierte Architekturteile, die Druckfestigkeit und Witterungsbeständigkeit erforderten. Im römischen Gutshof von Güglingen-Frauenzimmern wurde gleichfalls Schilfsandstein für die vielfältigen Bau- und Gestaltungszwecke verwendet. Hervorzuheben ist das aus Schilfsandstein gefertigte Relief mit Darstellungen aus der Odyssee, das zeigt, dass das heimische Gesteinsmaterial gut geeignet war, um kunstvolle Stilelemente zu gestalten.
Mittelalter, Neuzeit: Die Gesteinsgewinnung in den römischen Steinbrüchen wurde vermutlich im Mittelalter wieder aufgenommen. Zahlreiche gotische Kirchen und Kapellen sind aus dem Güglinger Schilfsandstein errichtet worden. Wie eingangs erwähnt, wurde der historische Bruch nördlich von Pfaffenhofen im Jahr 1922 von Albert Burrer, Maulbronn, wieder in Betrieb genommen und bis Ende der 1980er Jahre genutzt (Pfaffenhofener „Kosak-Sandstein“, RG 6919‑4). In der westlich an den Burrer-Bruch angrenzenden Fläche (RG 6919‑2) wurden in den 1970er bis 90er Jahren Sandsteine durch die Fa. Rudi Reimold gewonnen und im „Natursteinwerk Ochsenburg“ verarbeitet. Diese Firma erzeugte daraus vor allem Fassadenplatten, Profilsteine, Gartenbausteine und Werkstücke für Renovierungsarbeiten. Der Steinbruch am Hundbühl (RG 6919‑3) wurde von der Fa. R. Reimold betrieben, ist aber seit 1982 stillgelegt.
Die beiden bei Pfaffenhofen gelegenen Steinbrüche (RG 6919‑2 und ‑4) wurden 1998 von der Fa. Haass aus Güglingen bzw. ihrer Tochterfirma NSG Güglingen GmbH übernommen und 2012 konnte ein nicht genutzter Teil des Vorkommens von der Fa. R. A. Burrer erworben werden. Die Fa. Haass konzentrierte sich von Anfang an auf das sehr umfangreiche Haldenmaterial, das im Verlauf der Jahrhunderte im Süden der in nördliche Richtungen fortschreitenden Brüche aufgehaldet worden war. Bis 2009 hatte die Fa. Haass bereits 400 000 m3 Haldenmaterial verwertet, mindestens 200 000 m3 sind noch vorrätig. Diese Zahlen geben eine Vorstellung vom Umfang des historischen Abbaus. Zur Erzeugung von Körnungen für den Wegebau sind rund 70 % verwertbar. Das Haldenmaterial wird in der Grube zu Schotter 11/45 und 45/200 mm, Splitt und Sand aufbereitet. In den letzten Jahren wurden neben der Verarbeitung des umfangreichen Haldenmaterials auch mehrere hundert Tonnen Werksteine für Fassadensteine und ‑platten, Bodenplatten, Fensterbänke und Treppenstufen sowie für Bildhauerarbeiten verarbeitet. Kleinere Blöcke werden für den GaLa-Bau oder für den Wasserbau eingesetzt. Seit 2012 erschließt die Fa. Haass auch die plattige Randfazies der Lagerstätte zur Erzeugung von Körnungen.
Die von der Fa. Haass gewonnenen Werksteinblöcke werden (Stand 2013) u. a. von der Fa. Melchior in Freudental verarbeitet und vornehmlich für Renovierungsprojekte verwendet. Nach Angaben dieser Firma wurde der Pfaffenhofener z. B. bei folgenden Projekten eingesetzt: Cyriakuskirche in Bönnigheim, Alter Bahnhof in Freiberg a. N., jetzt Volksbank (Sockel), Schloss Heutingsheim (Fenster- und Türrahmen, Gewände) und ev. Regiswindiskirche in Lauffen a. N. (Außensanierung), Arkadengebäude in Bietigheim, ev. Martinskirche in Eberdingen (Bodenplatten).
Potenzial
Die genannten Steinbrüche im Pfaffenhofener bzw. Güglinger Schilfsandstein liegen am Südwestrand eines lobenartigen Ausläufers des Heuchelbergs, dessen höchste Erhebung der aus Schilfsandstein bestehende Schnarrenberg (292,7 m ü. NHN) ist. Die Sohle der Steinbrüche liegt bei ca. 275 m ü. NHN; in beiden stehen 4–5 m mächtige, dickbankige Feinsandsteine guter Qualität an, so dass Erweiterungen von diesen Brüchen aus denkbar sind. Nach dem Verlauf der Grenze Gipskeuper/Schilfsandstein ist von söhliger Lagerung der Schichten auszugehen. Die größten Sandsteinmächtigkeiten mit fast 17 m Mächtigkeit sind vom Steinbruch der Fa. Haass (Gewann Steingrube) in nördliche bzw. nordöstliche Richtung und vom Steinbruch am Hundbühl in östliche Richtung zu erwarten. Im Nordosten des aktuellen Bruchs ist die Randfazies erreicht. Das Gebiet um Güglingen und Pfaffenhofen wird von linearen Eintalungen durchzogen, die O–W- und NW–SO-gerichteten Störungs- und begleitenden Kluftscharen folgen. Es ist daher empfehlenswert, vor Erweiterungsanträgen strukturgeologische Untersuchungen durchzuführen.
Kurzfassung
Bei Güglingen-Pfaffenhofen wird seit römischer Zeit ein gelblich brauner, oft rostbraun gemaserter Schilfsandstein gewonnen. Eine Vorstellung vom Umfang der historischen Nutzung geben die Haldenmengen, die von der Fa. Haass aus Güglingen auf rund 600 000 m3 (Stand 2013) geschätzt werden. Dieser gut zu bearbeitende, zugleich haltbare Sandstein wurde für die ausgedehnten römischen Siedlungen im Zabertal zu Mauersteinen, Platten, Säulen, Gesimsen, Statuen und auch kleinformatigen Alltagsgegenständen aller Art verarbeitet. In Mittelalter und Neuzeit diente er dem Bau vieler Kirchen und Profanbauten. Um 1922 begann durch die Fa. Albert Burrer eine neue Phase intensiver Nutzung. Abgebaut wird ein meist 4–5 m mächtiges Werksteinlager innerhalb einer 10–17 m mächtigen Schilfsandsteinfolge. Im Steinbruch der Fa. Haass aus Güglingen wird einerseits das umfangreiche historische Haldenmaterial aufbereitet, zugleich werden aus dem Festgestein Werksteinblöcke gewonnen, die vor allem für Renovierungsarbeiten verwendet werden. Die plattige, rund 13 m mächtige, nordöstliche Randfazies der Werksteinlagerstätte wird derzeit auch abgebaut und zu Körnungen verarbeitet.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (1988). Untersuchungen zum Verwitterungsverhalten von Bausteinen am Beispiel des Schilfsandsteins. – Dipl.-Arb. Univ. Heidelberg, 155 S., Heidelberg. [83 Abb., unveröff.]
- (1990). Die Schilfsandsteine Baden-Württembergs. Teil I: Technische Eigenschaften (Teile 1 und 2). – Bautenschutz und Bausanierung, 13, S. 53–55 und 68–70. [6 Abb., 2 Tab.]
- (2002). Römer im Zabergäu. Ausgrabungen im vicus von Güglingen, Kreis Heilbronn. – Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 2002, S. 116–121. [6 Abb.]
- (2003). Markt und Mithras – Neues vom römischen vicus in Güglingen, Kreis Heilbronn. – Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 2003, S. 113–117. [5 Abb.]
- (1990b). Geologie und Naturwerksteine Baden-Württembergs. – Grimm, W.-D. (Hrsg.). Bildatlas wichtiger Denkmalgesteine der Bundesrepublik Deutschland, S. 147–162, 2 Taf., München (Arbeitsheft Bayr. Landesamt Denkmalpflege, 50). [2 Abb.]
- (2005). Auf diese Steine konnte man bauen. Römische Gesteinsnutzung in Südwestdeutschland. . Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau, S. 393–398, Stuttgart (Begleitband zur Ausstellung des Landes Baden-Württemberg in Stuttgart 1. Okt. 2005 – 8. Jan. 2006).