Fehlgeschlagener Neubau des Schulhauses in Neckartailfingen
Neckartailfingen liegt etwa 20 km südlich von Stuttgart. In dem Ort waren schon früher Bauschäden im Ausstrichbereich der Gesteine der Trossingen-Formation (Mittelkeuper) bekannt (z. B. im Zusammenhang mit der Kelter, des Bahnhofs, des Wasserhochbehälters, des Kirchturms).
Trotz der im Ort bekannten Risiken und Schäden wurde das neue Schulhaus im Rutschgebiet am Nordwestrand der Gemeinde am Fuß des dortigen Hanggeländes geplant und im November 1951 mit den Bauarbeiten begonnen.
Zu Baubeginn lagen die Aushubmassen in feuchtem bis nassem Zustand vor, auch wurden im Bereich der Baugrube freie Hangwasseraustritte beobachtet. Erschwerend kamen Niederschläge hinzu, welche zu einer weiteren Aufsättigung der Verwitterungsböden im Hangbereich führten.
Durch den Aushub der Baugrube wurde dem Hang sein natürliches Fußwiderlager entzogen, wodurch das ohnehin nur labile Hanggleichgewicht nachhaltig gestört wurde. Infolgedessen kam es während der Errichtung der Fundamente sowie der Kellerwände zur Ausbildung einer umfangreichen Rutschung in den Gesteinen der Trossingen-Formation (Wagner & Ziegler, 1953).
Die Abrisskante der Rutschung konnte etwa 50 m hangwärts der Baugrube durch bis zu 0,5 m breite Abrissspalten nachgewiesen werden. Die in etwa parallel zur Geländeoberfläche verlaufende Gleitfläche der Rutschung befand sich in einer durchschnittlichen Tiefe von etwa vier Metern. Durch die ausgelösten Rutschbewegungen wurde der bereits eingebrachte Kellerboden um ca. 0,2 m angehoben und die Wände wurden um bis zu 1,5 m horizontal versetzt bzw. verschoben (Kösel & Weiß, 2000). Die Rutschbewegungen führten zu starken Schäden an der bereits eingebrachten Bausubstanz. Nachdem sich die Rutschbewegungen nicht beruhigten und der Bau somit nicht weitergeführt werden konnte, wurde die Baugrube schließlich verfüllt und dadurch ein erneutes Widerlager für den Hang geschaffen. Das Bauprojekt konnte letztendlich nicht vollendet werden (Wagner & Ziegler, 1953).
In der oben stehenden Abbildung ist der ungefähre Umriss der 1951/52 eingetretenen Hangrutschung eingetragen. Darin lässt sich auch im Bereich der Ortslage von Neckartailfingen anhand des DGM das für die Trossingen-Formation so charakteristische unruhige Hangrelief gut nachvollziehen.
An diesem Beispiel wird verdeutlicht, dass eine frühzeitige objektbezogene Baugrunderkundung und Gründungsberatung in den zu Rutschungen neigenden Hanglagen der Trossingen-Formation wie auch in allen anderen, als rutschungsanfällig bekannten Formationen Baden-Württembergs angezeigt ist.
Grundsätzlich sind bei derartigen Untergrundverhältnissen große Eingriffe in das Hanggleichgewicht zu vermeiden und es hat sich bewährt, Baugruben nur abschnittsweise zu öffnen und erst nach kraftschlüssiger Hinterfüllung des ersten Baugrubenabschnittes mit dem nächsten zu beginnen. Auch sind Baugrubenböschungen nach erdstatischem Nachweis zu sichern und gegen Wasserzutritt zu schützen. Möglichst ausgesteifte Untergeschosse, die am leichtesten bei einfachem, wenig gegliedertem Grundriss zu realisieren sind, sowie in möglichst elastischer Bauweise hergestellte Versorgungs- und Entsorgungsleitungen tragen etwaigen Verformungen des Baugrundes Rechnung. Auch sollten Fundamente in hinsichtlich des Setzungsverhaltens einheitlichem Substrat einbinden und dabei bis unterhalb der durch saisonale Einflüsse verursachten Volumenänderungen des oberflächennahen Baugrundes einbinden. Der bindige Erdaushub ist zur Hinterfüllung von Arbeitsräumen i. A. ungeeignet. Vielmehr sollten die Arbeitsräume nach Freigabe des Statikers unverzüglich mit gut durchlässigem, filterstabilem verdichtungsfähigem Lockergestein nach vorheriger Verlegung einer wartungsfähigen Drainage kraftschlüssig hinterfüllt werden.
Nachfolgend sind die wichtigsten Punkte der beschriebenen Rutschung in Neckartailfingen tabellarisch aufgelistet:
Stammdaten:
Objekt-ID |
7321_Ru00001 |
Objektname |
Hangrutschung Schule Neckartailfingen |
Lokalität |
Nordwestrand der Ortschaft Neckartailfingen |
Gemeinde |
Neckartailfingen |
Stadt-/Landkreis |
Esslingen |
TK25-Nr. |
7321 |
TK25-Name |
Filderstadt |
Datengrundlage |
|
Lage-Bezugspunkt |
Basis der Rutschmasse |
Ostwert |
519383 |
Nordwert |
5384569 |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
311 |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
1950er Jahre |
Aktivität |
stabilisiert |
Geländenutzung während der Entstehung |
besonders schützenswerte Einrichtungen, Wohngebiet, Gemeindeweg |
Schäden |
Gebäudeschäden |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Primär-/Folgeereignis |
Primärereignis |
||
Prozess der Hauptbewegung |
|||
Max. Länge [m] |
50 |
||
Max. Breite [m] |
35–40 |
||
Fläche der Hangbewegung [m²] |
2000 |
||
Max. Tiefe der Gleitfläche [m] |
4 |
||
Durchschn. Tiefe der Gleitfläche [m] |
4 |
||
Fläche der Rutschmasse [m²] |
2000 |
||
Kubatur der Rutschmasse [m³] |
6000–8000 |
||
Höchster Punkt der Abrisskante [m ü. NHN] |
322 |
||
Tiefster Punkt der Rutschmasse [m ü. NHN] |
311 |
||
Max. Höhenunterschied (H) zwischen höchstem und tiefstem Punkt der Rutschung [m] |
11 |
||
Exposition [°] |
Südost |
||
Durchschnittliche Hangneigung zwischen Abrisskante und Rutschmassenfuß [°] |
10 |
||
Hangneigung [°] |
Oben (zwischen Abrisskante und Rutschmassentop) |
10 |
|
Mitte (oberer Teil der Rutschmasse) |
10 |
||
Unten (unterer Teil der Rutschmasse) |
10 |
||
Ursache |
geogen |
||
Auslöser |
|||
Geologie |
|||
Trossingen-Formation (kmTr) |
|||
Gefahrenbeurteilung |
unbekannt |
||
Überwachungsmaßnahmen |
unbekannt |
||
Sicherungsmaßnahmen |
Bau wurde abgebrochen und Baugrube wieder verfüllt |
||
Sonstige Anmerkungen |
Riss-/Abrissbildung im oberen Teil der Rutschung |
Literatur
- (2000). Erläuterungen zu Blatt 7321 Filderstadt. – Bodenkt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 213 S., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (1953). Knollenmergelrutschungen in Neckartailfingen. – Aus der Heimat, 61(4), S. 86–87.