Geologie
Die Ortenau-Formation besteht im zentralen Oberrheingraben aus schwach schluffigen sandigen Kiesen mit überwiegend alpinem Ursprung. Nach unten nimmt der Sand- und Schluffanteil häufig leicht zu. Dies ist im Hinblick auf die Durchlässigkeit der Sedimente von Bedeutung. Deshalb wird die Ortenau-Formation hydrogeologisch in die Ortenau-Formation unten und die Ortenau-Formation oben gegliedert.
Am Übergang vom Oberrheingraben in die Schwarzwaldtäler nimmt der Anteil an Lokalmaterial aus dem Schwarzwald an der Zusammensetzung der Ortenau-Formation zu. Die Talfüllungen bestehen vollständig aus Lokalmaterial. Im unteren Abschnitt sind die kristallinen Gerölle lokalen Ursprungs in der Regel stärker zersetzt und verbacken (z. B. im Kinzigtal und im Kinzigschwemmfächer). Damit gehen eine dichte Lagerung der sandig-schluffigen Kiese und eine geringere Durchlässigkeit der Sedimente einher.
Das Verbreitungsgebiet der Ortenau-Formation reicht von Offenburg bis südlich von Karlsruhe. Es wird bereichsweise durch Störungen begrenzt. Dies ist z. B. am Vorbergzonenrand zwischen Ortenberg und Achern der Fall. Im Norden fehlt die Ortenau-Formation auf der östlichen Randscholle.
Die Mächtigkeit der Ortenau-Formation variiert stark. Mit bis zu 120 m ist sie in der Region Offenburg-Straßburg in Rheinnähe am größten (Bohrung Kehl-Marlen; Brost & Ellwanger, 1991). Nach Norden verringert sie sich zur Karlsruher Schwelle hin deutlich. Dort beträgt die Gesamtmächtigkeit der Ortenau-Formation nur noch ca. 30 bis 40 m.
Die Ortenau-Formation unten ist mit über 40 m nördlich von Altenheim sowie nordwestlich von Freistett am mächtigsten. Die Ortenau-Formation oben erreicht mit 50 bis 60 m ihre größten Mächtigkeiten zwischen Appenweier und Kehl und zwischen Freistett, Bühl und Greffern.
Hydrogeologische Charakteristik
Die Ortenau-Formation ist ein Porengrundwasserleiter mit sehr hoher bis hoher Durchlässigkeit und Ergiebigkeit. Ebenso wie bei der Neuenburg-Formation geht mit dem zum Grabenrand hin zunehmenden Anteil an Lokalmaterial eine Abnahme der Durchlässigkeit und der Ergiebigkeit einher.
Im Raum Offenburg/Straßburg–Baden-Baden sind in der Ortenau-Formation mehrere feinklastische Einschaltungen ausgebildet. Sie wurden im Rahmen der hydrogeologischen Kartierung entsprechend ihrer Höhenlage zu den „Feinklastischen Horizonten 1 bis 4“ zusammengefasst (Wirsing & Luz, 2007). Diese Horizonte sind häufig nur lückenhaft ausgebildet. Grundsätzlich treten in ihrem Niveau verstärkt feinklastische Sedimente (Ton/Schluff, Fein- bis Mittelsand bzw. Sand aller Körnungen) auf, die sich hinsichtlich der vertikalen Durchlässigkeit im lokalen bis regionalen Maßstab hydraulisch auswirken.
Der Feinklastische Horizont 1 (Wirsing & Luz, 2007) ist am Ausgang des Kinzigtales bei Offenburg nahezu flächenhaft verbreitet und entspricht dort dem „Kinzighaupttorfhorizont“, der im Kinzigtal allerdings in geringerer Tiefe vorliegt. Er wird maximal 5 m mächtig und ist hydraulisch als Trennhorizont wirksam. Die Druckfläche des unteren Grundwasserkörpers liegt bis 0,3 m unter der Grundwasseroberfläche des oberen (Herrgesell, 1995).
Der Feinklastische Horizont 2 ist hauptsächlich am Schwarzwaldrand von Offenburg bis Bühl verbreitet, tritt aber lückenhaft bis Straßburg im Westen auf. Dort ist er bereichsweise erodiert und die Erosionsrinnen scheinen anschließend mit gröberem Material verfüllt worden zu sein. Er ist im Allgemeinen geringer mächtig als der Feinklastische Horizont 1. Die größte Mächtigkeite erreicht er am Schwarzwaldrand, westlich der Autobahn wird er zwischen 0,2 und 3,5 m mächtig.
Der Feinklastische Horizont 3 ist hauptsächlich im Raum Offenburg/Kehl bis auf Höhe von Rheinau/Renchen verbreitet. Weiter im Norden handelt es sich nur um kleinräumigere Vorkommen. Er entspricht dem sogenannten „interglazialen“ Trennhorizont, der hauptsächlich im Bereich von Straßburg vorkommt. Im östlichen Bereich des Verbreitungsgebiets handelt es sich vermutlich um Umlagerungssedimente (Schwemmlöss) vom Vorbergzonenrand. Der Feinklastische Horizont 3 ist maximal 7,5 m mächtig, meist liegt seine Mächtigkeit jedoch unter 5 m.
Am deutlichsten ist der Feinklastische Horizont 4 ausgebildet. Nördlich von Bühl geht er in die Ludwigshafen-Formation (früher: Oberer Zwischenhorizont, OZH) über. Dies führt zu einer weiteren hydrogeologischen Unterteilung der Ortenau-Formation oben in die Ortenau-Formation oben (oberer Abschnitt) und die Ortenau-Formation oben (unterer Abschnitt). Der Feinklastische Horizont 4 tritt lückenhaft zwischen Dundenheim im Süden und südlich von Baden-Baden auf, weiter im Norden ist er flächenhaft ausgebildet. Er liegt im Norden des Teilgebiets Mitte ab der Höhe von Bühl im Niveau der Ludwigshafen-Formation (Oberer Zwischenhorizont, OZH) (HGK, 2007) und wurde mit dieser zusammengeführt. Er erreicht eine Mächtigkeit von über 9 m, meist ist er jedoch weniger als 2 m mächtig.
Die schichtig abgelagerten fluviatilen Lockersedimente der Ortenau-Formation weisen eine hohe vertikale Anisotropie auf, die im Verbreitungsgebiet der Feinklastischen Horizonte noch stärker ausgeprägt ist. Hydrostratigraphisch bildet die Ortenau-Formation unten zwischen Offenburg im Süden und südlich von Karlsruhe den Unteren Grundwasserleiter und die Ortenau-Formation oben den Oberen Grundwasserleiter.
Hydraulische Eigenschaften
Die Durchlässigkeiten der Ortenau-Formation oben liegen zwischen 0,002 · 10‑3 und 1,0 · 10‑3 m/s (arithmetischer Mittelwert: 5,6 · 10‑3 m/s, Median 3,0 · 10‑3 m/s, Standardabweichung 9,91 · 10‑3 m/s). Die Transmissivität der Ortenau-Formation oben liegt zwischen 0,01 und 900 · 10‑3 m2/s (arithmetischer Mittelwert: 36,9 · 10‑3 m/s, Median 25,0 · 10‑3 m/s) (Wirsing & Luz, 2007; Meinken & Stober, 1997b).
Die Ortenau-Formation unten hat Durchlässigkeiten zwischen 0,03 · 10‑3 m/s und 12,71 · 10‑3 m/s (arithmetischer Mittelwert: 2,28 · 10‑3 m/s, Median 1,18 · 10‑3 m/s, Standardabweichung 3,12 · 10‑3 m/s). Die Transmissivität liegt zwischen 0,5 und 178 · 10‑3 m2/s (arithmetischer Mittelwert: 24,4 · 10‑3 m/s, Median 8,25 · 10‑3 m/s) (Wirsing & Luz, 2007; Stober et al., 2002a).
Die lithofaziellen Unterschiede der Ortenau-Formation sowie Unterschiede in der Lagerungsdichte wirken sich auf die Durchlässigkeiten aus. Die Durchlässigkeit der Schwarzwaldkiese ist um mehr als eine Zehnerpotenz geringer als die der vorherrschend oder rein alpinen Kiese (HGK, 1979b). Mit zunehmender Tiefe nimmt die Durchlässigkeit grundsätzlich ab. Im Bereich der holozänen Rheinaue wurden die Kiese im oberen Abschnitt im Holozän umgelagert. Die damit verbundene lockere Lagerung führt zu hohen Durchlässsigkeiten von im Mittel 2,7 · 10‑3 m/s (HGK, 1979b).
Die Karte der Durchlässigkeitsverteilung im oberen Abschnitt der Ortenau-Formation zwischen Offenburg und nördlich von Rastatt zeigt die höchsten Durchlässigkeiten in Rheinnähe. Zum Grabenrand hin nimmt die Durchlässigkeit deutlich ab. Etwa mittig zwischen dem Rhein im Westen und dem östlichen Grabenrand deutet sich eine rheinparallele, langgestreckte Zone erhöhter Durchlässigkeiten an.
Hydrologie
Die Grundwasserneubildung aus Niederschlag beträgt im Verbreitungsgebiet der Ortenau-Formation im langjährigen Mittel (Periode 1981–2010) 3,8 l/(s · km2). Das sind, bezogen auf die Fläche von ca. 900 km2, 3420 l/s.
Ebenso wie in der Neuenburg-Formation tragen auch in der Ortenau-Formation einige Flüsse aus dem Schwarzwald durch Versickerung zur Grundwasserneubildung bei. So geben z. B. die Unditz und der Tieflachkanal bei Schutterwald Wasser in den Untergrund ab. Für die Murg wurde eine durchschnittliche Einspeisung von 22 Mio. m3/Jahr abgeschätzt (HGK, 1978). Die Infiltrationsmengen sind zeitlichen Änderungen unterworfen. Bereichsweise können sich Infiltration und Exfiltration an derselben Gewässerstrecke abwechseln. Als weitere Komponente kommt der unterirdische Grundwasserzustrom aus dem Festgestein entlang des Ostrandes der Oberrheinebene hinzu. Die bedeutendsten Zutritte dürften in den Bereichen vorkommen, in denen die Kluftgrundwasserleiter des Buntsandsteins, des Muschelkalks und des Hauptrogensteins an den Kiesgrundwasserleiter angrenzen. Die Verbreitung des Hauptrogensteins endet jedoch nördlich der Linie Straßburg–Appenweier. Die Zuflüsse aus diesen Einheiten werden auf mehrere l/s · km geschätzt (HGK, 1980b). Für den Abschnitt zwischen Niederschopfheim und Achern wird ein Zustrom von größenordnungsmäßig 30 l/s · km2 angenommen (HGK, 1979b).
Niedrige Grundwasserflurabstände von meist weniger als einem Meter finden sich in der Rheinaue der nördlichen Oberrhein-Niederung sowie im Bereich des Rench-Flutkanals. Die größten Flurabstände von über 10 m treten im Bereich der Niederterrasse auf. In der östlich anschließenden Kinzig-Murg-Rinne nimmt der Flurabstand wieder auf weniger als einen Meter ab. Diese naturräumliche Gliederung ist im Bereich des Kinzig-Mündungstrichters nicht mehr vorhanden, da hier die Niederterrasse zwischen der Rheinaue und der Kinzig-Murg-Rinne fehlt (HGK, 1979b). Nach Süden nehmen die Unterschiede im Flurabstand zwischen der Niederterrasse und der Rheinaue generell ab, da in dieser Richtung der Höhenunterschied zwischen den beiden morphologischen Einheiten geringer wird.
Das Grundwasser strömt in den Kiesen und Sanden vom Grabenrand in nordnordwestliche Richtung ab. Im Norden des Verbreitungsgebietes der Ortenau-Formation strömt das Grundwasser nach Nordwesten in Richtung Rhein ab.
Geogene Grundwasserbeschaffenheit
Ebenso wie in der Neuenburg-Formation dominieren in der Ortenau-Formation hydrogenkarbonatisch-erdalkalische Süßwässer (Ca-HCO3-Typ). Dies liegt am großen Anteil an karbonatischen Geröllen in den quartären Kiesen und Sanden. Das Grundwasser in den östlichen Randbereichen weist dagegen niedrigere Karbonat- und Gesamthärtewerte auf (HGK, 1979b). Hier bestehen die Kiese weitgehend aus Schwarzwaldmaterial, außerdem infiltriert weiches Oberflächenwasser aus dem Schwarzwald (z. B. aus der Kinzig oder der Rench) in den Aquifer.
Im Bereich der Kinzig-Murg-Rinne und in der Rheinaue ist das Grundwasser sauerstoffarm. Damit gehen lokal erhöhte Eisen- und Manganwerte einher.
Im Kinzigtal südlich von Ohlsbach steigen entlang einer Verwerfung im kristallinen Grundgebirge chloridhaltige Wässer mit einer Konzentration von bis zu 8500 mg/l Chlor auf. Von dort zieht eine Fahne mit stark erhöhten Chloridgehalten nach Nordwesten zum Rhein (Stober et al., 1999).
Geschütztheit des Grundwassers
Die Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung ist für das Grundwasser in der Ortenau-Formation im Bereich der Hardtebenen meist sehr gering bis gering. In der nördlichen Oberrhein-Niederung ab Rastatt ist sie überwiegend gering bis mittel.
Grundwassernutzung
Das Grundwasservorkommen in der Ortenau-Formation ist von überregionaler Bedeutung und wird zur Trinkwasserversorgung sowie zu gewerblichen und landwirtschaftlichen Zwecken genutzt. Bedeutende Trinkwasserentnahmen befinden sich z. B. bei Offenburg und Schutterwald am Ausgang des Kinzigtales sowie im Rheintal bei Kehl, Rheinau, Sinzheim, Baden-Baden oder Rastatt.
Neben ihrer Funktion als wasserwirtschaftlich überregional bedeutender Lockergesteinsgrundwasserleiter bilden die quartären Kiese und Sande im Oberrheingraben eine der mengenmäßig wichtigsten Gruppen der Steine und Erden-Rohstoffe (Kiese, sandig). Hieraus können sich Zielkonflikte hinsichtlich der langfristigen Sicherung abbauwürdiger Rohstoffe einerseits und dem Schutz genutzter und nutzbarer Grundwasservorkommen andererseits ergeben.
Literatur
- (1991). Einige Ergebnisse neuerer geoelektrischer und stratigraphischer Untersuchungen im Gebiet zwischen Kaiserstuhl und Kehl. – Geologisches Jahrbuch, Reihe E, 48, S. 71–81.
- (1978). Oberrheinebene – Raum Rastatt (Karlsruhe-Bühl). – Hydrogeologische Karte Baden-Württemberg, 52 S., 6 Karten, Karlsruhe (Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg; Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1979b). Bühl–Offenburg. – Hydrogeologische Karte Baden-Württemberg, 68 S., 7 Karten, Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg; Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg).
- (1980b). Oberrheingebiet – Raum Lahr. – Hydrogeologische Karte Baden-Württemberg, 63 S., 6 Karten, Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg; Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg).
- (2007). Raum Karlsruhe-Speyer. Fortschreibung 1986 – 2005. – Hydrogeologische Kartierung und Grundwasserbewirtschaftung Baden-Württemberg, 90 S., 13 Karten, 1 CD-ROM, Stuttgart (Umweltministerium Baden-Württemberg; Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz).
- (1995). Grundwassermodell Offenburg-Süd, PfA 7.1 der Ausbau und Neubaustrecke Offenburg – Basel der Deutschen Bahn AG. – Gutachten Geol. Landesamt Baden-Württ., Az.: 2307.11 / 91-4763, Freiburg i. Br. [unveröff.]
- (1997b). Permeability distribution in the Quaternary oft he Upper Rhine glacio-fluvial aquifer. – Terra Nova, 9(2), S. 113–116.
- (1999). The Ohlsbach Plume – Discharge of deep saline water from the crystalline basement of the Black Forest, Germany. – Hydrogeology Journal, 7/3, S. 273–283.
- (2002a). Tiefenabhängige hydrogeologische Untersuchungen im Quartär und Pliozän des Oberrheingrabens – Ergebnisse der Erkundungs- und Messstellenbohrungen Marlen bei Kehl. – Abhandlungen LGRB, 15, S. 255–301.
- (2007). Hydrogeologischer Bau und Aquifereigenschaften der Lockergesteine im Oberrheingraben (Baden-Württemberg). – LGRB-Informationen, 19, S. 1–130.